Weiße Tauben als Zeichen der Hoffnung

40 Jahre Amnesty-Gruppe Bad Mergentheim - Menschenrechte verlangen stetige Aufmerksamkeit / Größter Wunsch: Grund zur Auflösung

Weiße Tauben stiegen auf über dem Marktplatz: Die Festredner, Oberbürgermeister Udo Glatthaar (links), daneben Dekan Urich Skobowsky, die langjährige Gruppensprecherin Christa Zechlin, Pfarrer Karl-Gottfried Kraft und ai-Gruppensprecher Stefan Kneifl entließen die Tauben als Zeichen der Hoffnung (Foto: Hans-Peter Kuhnhäuser)

Nicht nur die Festredner, auch zahlreiche Passanten unterzeichneten die ausgelegten „Briefe gegen das Vergessen” an Minister der Regierungen von Italien, Vietnam und der Türkei (Foto: Hans-Peter Kuhnhäuser)

Mit einer öffentlichen „Geburtstagsfeier” erinnerte die Amnesty-International-Gruppe Bad Mergentheim am vergangenen Samstag auf dem Marktplatz an ihr 40-jähriges Bestehen.
Mehrere Redner würdigten das Engagement der ehrenamtlichen Menschenrechts-Verteidiger.

Ralf Glenk sorgte mit bekannten Songs für den akustischen Rahmen, Info-Tafeln erinnerten an die Aktionen und die in 40 Jahren von der Bad Mergentheimer Amnesty International (ai)-Gruppe geleistete Arbeit. Auch der Stand - natürlich fehlte das bekannte ai-Logo der mit Stacheldraht umwickelten Kerze nicht - mit den ausliegenden Briefen an Minister in der Türkei, Italien und Vietnam machten deutlich, dass nach wie vor viel zu tun ist.

Gruppensprecher Stefan Kneifl wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass es der größte Wunsch der Gruppe sei, sich auflösen zu können. „Leider erleben wir trotz mancher Fortschritte immer wieder, dass auch in Demokratien bereits errungene Werte plötzlich wieder abgeschafft werden.” Dies lehre, dass "nichts von Dauer ist und jede Generation von neuem bewahren muss". Dass man sich als weltweit tätige Organisation einen guten Ruf als Lieferant solider Informationen erarbeitet habe, erfülle ihn mit Stolz, gerade angesichts "von immer mehr Fake-News". Ausdrücklich verwies Kneifl auf die zum Teil jahrzehntelang aktiven Gruppenmitglieder. So habe Christa Zechlin 35 Jahre als Gruppensprecherin gewirkt und in dieser Zeit Hunderte von Aktionen organisiert.

„40 Jahre Amnesty-Gruppe sind 40 Jahre Einsatz für die Menschenrechte, und zwar weltweit”, betonte Dekan Ulrich Skobowsky. Die Menschenrechte seien ohne die französische Revolution - „nicht deren Ablauf!” - und die Aufklärung nicht denkbar. Die Wurzeln aber lägen in der „Gottebenbildlichkeit, weil jedem Menschen derselbe göttliche Funke leuchtet”. Jeder, der die Würde des Einzelnen antaste, vergehe sich an der ganzen Menschheit. „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr mir getan”, zitierte er aus Matthäus 25. Dabei sei heute klar, dass Kirche und Christentum in der Vergangenheit schwerste Schuld auf sich geladen hätten - „weil es damals keine Trennung von Staat und Religion ab, tragen wir gemeinsam an der Verantwortung”. Und zugleich liege in dieser Verantwortung - auch für die furchtbaren Taten, die im staatlichen Namen später angerichtet wurden - „die Chance, es besser zu machen”. Heute stehe die Kirche „Seite an Seite mit Amnesty, ob in Venezuela oder beim Flüchtlingsdrama in Europa”. In Zeiten des politischen Populismus sei „ai” unverzichtbar. „Ich wünsche mir, dass es euch in 40 Jahren nicht mehr braucht”, sagt Skobowsky. Der ai-Gruppe wünschte er „ganz viel Beharrlichkeit und Unerschrockenheit, Fantasie sowie Segen und Frieden”.

Pfarrer Karl-Gottfried Kraft von der evangelischen Kirchengemeinde erinnerte an die „lange, gute und enge” Zusammenarbeit mit „ai”. „Sie leisten eine ganz großartige Arbeit. Ich danke für den großen Einsatz für die Menschenrechte und für die vielen Menschen, die zu Unrecht im Gefängnis sitzen”, sagte Kraft. Eigentlich sei es wünschenswert, dass „ai” nicht notwendig wäre. Doch da bis heute „in erschreckendem Maße, ja zunehmend, die Menschenrechte verletzt werden”, sei das Engagement unverzichtbar. „Es ist unser gemeinsames Anliegen. Schon in der Schöpfungsgeschichte lesen wir: Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde.” Daraus leite sich die Würde des Menschen ab, unabhängig von Geschlecht, sozialem Status, Alter und Herkunft. Kraft wünschte der Gruppe „weiterhin viel Erfolg”.

Oberbürgermeister Udo Glatthaar - er trat als Schirmherr des Jubiläums auf - bekannte, „ai” einst nicht richtig eingeschätzt, dies aber schnell korrigiert zu haben. Er freue sich, dass dieses Jubiläum auf dem Marktplatz stattfinde. „Amnesty steht dafür, in die Öffentlichkeit zu gehen, den Mund aufzumachen und die Fahne der Menschenrechte hoch zu halten.” Die Stadt setze ebenfalls Signale, so am Tibet-Tag mit der tibetischen Fahne am Rathaus - „auch wenn wir böse Briefe aus Peking bekommen”. Das Jubiläum falle in eine Zeit, in der Menschenrechte in vielen Teilen der Welt einen schweren Stand hätten. Der OB verwies auf die Türkei, sprach von „besorgniserregenden Tendenzen” in Ungarn und Polen, nannte das „Unrechtsregime in Nordkorea, die schwierige Lage in China und die Entrechtung von Menschen im Namen eines furchtbaren Islamismus”. Das alles dürfe nicht zu Resignation führen. Ausdrücklich dankte Glatthaar der ai-Gruppe für ihr andauerndes Engagement und das „Herzblut im Kampf gegen Menschenrechtsverstöße”.

Hans-Peter Kuhnhäuser, Fränkische Nachrichten, 31.07.2017, www.fnweb.de