„In Zukunft gibt es nicht mehr das volle Gottesdienstprogramm”

Mangel an Geistlichen - Auch die Gemeinden im Altkreis Mergentheim sind betroffen / Situation wird sich verschlechtern

Das katholische Dekanat Bad Mergentheim wird von Ulrich Skobowsky geleitet. (Foto: Florian Hartmüller)

Renate Meixner ist als Dekanin für den evangelischen Kirchenbezirk Weikersheim zuständig. (Foto: Florian Hartmüller)

Den Kirchen fehlt der Pfarrernachwuchs. Ein Grund ist die abnehmende Akzeptanz des Berufs. Auch in Bad Mergentheim und Weikersheim haben die Verantwortlichen zu kämpfen.
„Das Problem des Pfarrermangels muss man differenziert betrachten”, sagt Renate Meixner. Es gebe verschiedene Gründe dafür, dass nicht mehr in jedem Pfarrhaus ein Pfarrer sitze. Meixner ist Dekanin im Kirchenbezirk Weikersheim der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Dort gibt es 36 Gemeinden, die von 17 Pfarrern und zwei Vikaren, also Pfarrern in Ausbildung, betreut werden. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde dasselbe Gebiet laut Meixner von über 30 Pfarrern versorgt.

Eine Landessynode im März beschloss sogar, die Zahl der Pfarrstellen bis 2024 auf 16 zu reduzieren. Die Personalsituation wird sich also nicht verbessern. In der gesamten Landeskirche sinkt die Zahl der Pfarrstellen im selben Zeitraum von 1 666 auf 1 446.

Demografischer Wandel als Grund
Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Ein Problem ist laut Meixner der demografische Wandel, durch den die Einnahmen sinken. Seit Jahren gibt es in den Gemeinden mehr Todesfälle als Neumitglieder, da immer weniger Eltern ihre Kinder taufen lassen. 27 Gemeinden in Meixners Kirchenbezirk haben weniger als 500 Mitglieder. Auch die Einnahmen durch die Kirchensteuer werden sinken, da immer mehr Mitglieder ins Rentenalter kommen.

Selbst für die Stellen, die finanziert werden könnten, fehlt teilweise der Nachwuchs. Es gibt nicht genügend Theologiestudenten mit dem Ziel Pfarramt. In den 80er und 90er Jahren war das anders, da hat die Landeskirche sehr viele Pfarrer eingestellt. Dazu gehörte auch Meixner. Diese Generation wird in den nächsten Jahren in Rente gehen. Das bereitet „Kopfzerbrechen”.

Ihr Kirchenbezirk hat, so Meixner, aber noch ein spezielles Problem: Nur wenige angehende Pfarrer wollen aufs Land. „Am liebsten kommen noch junge Leute aus den neuen Bundesländern, weil sie von hier schnell nach Hause zu ihren Familien fahren können.”

Alternative Zugänge gesucht
Um dem Mangel zu begegnen, wird bundesweit nach „alternativen Zugängen” gesucht. In Neudettelsbach (Bayern) gibt es zum Beispiel eine Ausbildung für sogenannte Pfarrverwalter, in Marburg einen Master für bereits Berufstätige.

Laut Meixner ist von den Pfarrern heute „Zusammenarbeit und starke Selbstorganisation” gefordert. So schließen sich zum Beispiel mehrere Pfarrer zusammen und einer übernimmt die Jugendarbeit für alle. Eine weitere Hilfe könnten Diakone sein, die eine eigene Ausbildung, ähnlich der für Sozialarbeiter, durchlaufen.

Während Pfarrer von der Landeskirche bezahlt werden, müssen die Kosten für Diakone von den Gemeinden oder dem Kirchenbezirk getragen werden. In Weikersheim gibt es dazu jedoch nicht die finanziellen Mittel.

Auch im katholischen Dekanat Bad Mergentheim, das zur Diözese Rottenburg-Stuttgart gehört, ist die Situation schwierig. In dem Gebiet, das annähernd dem des evangelischen Kirchenbezirks entspricht, leben rund 18 000 Katholiken in 19 Gemeinden, die in vier Seelsorgeeinheiten organisiert sind. In zwei von ihnen gibt es noch jeweils zwei leitende Pfarrer. Mittelfristig soll aber jede Seelsorgeeinheit von einem Pastoralteam mit einem leitenden Pfarrer betreut werden. Unterstützt werden sie von einem Priester, der für das Caritas-Krankenhaus zuständig ist. Bis zur Auflösung 2015 halfen außerdem drei Priester des Kapuzinerklosters, die 14 Gottesdienste pro Woche hielten.

In der größten Mergentheimer Seelsorgeeinheit, die etwa 8 300 Katholiken betreut, gibt es neben Dekan Ulrich Skobowsky zwei weitere Priester. Einer befindet sich als Vikar noch in Ausbildung. Außerdem halten im Dekanat noch zwei Priester im Ruhestand Gottesdienste. Die Personalsituation wird sich bald weiter verschlechtern, wenn der Vikar versetzt wird und der Krankenhausseelsorger in Ruhestand geht. Als Ursachen für den Priestermangel sieht Dekan Skobowsky die abnehmende Akzeptanz des Berufs und den demografischen Wandel. Es gibt einfach zu wenige junge Katholiken, die bereit und geeignet wären, den Bedarf zu decken.

In der katholischen Kirche sind die Folgen des Mangels gravierend. Verschiedene Sakramente, also wichtige Handlungen wie die Abnahme der Beichte oder die Krankensalbung, können nur von geweihten Priestern vorgenommen werden. Auch für die Wandlung von Brot und Wein im Gottesdienst wird ein Priester benötigt.

„Die Gemeindemitglieder müssen sich darauf einstellen, dass sie in Zukunft nicht mehr das volle Gottesdienstprogramm bekommen”, erklärt Dekan Skobowsky.

Die Wege, um mit dem Mangel umzugehen, sind vielfältig. In seiner Seelsorgeeinheit hat Skobowsky verschiedene Aufgaben delegiert. Das achtköpfige Pastoralteam verfügt neben den drei Priestern auch über einen Pastoralreferenten. Dieser hat ein volles theologisches Studium absolviert. Er ist zwar nicht geweiht, kann aber zum Beispiel Beerdigungen übernehmen. In Verwaltungsgremien wird der Dekan von einer Gemeindereferentin vertreten. Auch den Unterricht für die Kommunionkinder musste er delegieren. Die Situation ist für ihn nicht zufriedenstellend: „Ohne die Beichte hätte ich fast keinen Kontakt mehr zu den Kindern”, bedauert er.

„Schritt in die richtige Richtung”
Eine Lösungsmöglichkeit sieht Skobowsky in sogenannten „viri probati”. Dabei handelt es sich um verheiratete Männer, die sich um ihre Gemeinde verdient gemacht haben und daher auch ohne Zölibat zu Priestern geweiht werden. „Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung”, ist er überzeugt. Doch bis zur Umsetzung bliebe noch ein weiter Weg. „Die Aufgabe des Priesters ist mehr als Gottesdienste und Verwaltungsarbeit”, sagt Skobowsky. „Wir müssen zu den Menschen gehen”.

Florian Hartmüller, Fränkische Nachrichten, 13.05.2017, www.fnweb.de