In „unsicheren” Zeiten... Nr. 7 - Hirtensorge

Bildnachweis: Jesus als der Gute Hirte, Callixtus-Katakombe, Rom, 3. Jahrhundert, wikimedia.org (gemeinfrei)

Liebe ehrenamtlich Engagierte im Dekanat Mergentheim,
liebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, liebe Kollegen und Kolleginnen,

kleine Schritte zur Normalität sind bereits umgesetzt oder kündigen sich an – gleichzeitig stellt sich die Frage, was in „Corona-Zeiten” überhaupt „normal” ist. Lockerungen bei der Öffnung der Geschäfte oder die stückweise Rückkehr zum Schulalltag zeigen, dass dies nur unter besonderen Auflagen (wie Mundschutz, Abstand, Personenbegrenzungen …) möglich ist. Zugleich stellt sich bei jedem Ausstiegsschritt aus dem „lockdown” die Frage, ob damit die Infektionszahlen wieder steigen könnten …

Auch bei der angekündigten Feier von Gottesdiensten stellt sich diese Frage – und sie ist nicht einfach zu beantworten. Kirche verwirklicht sich eben besonders in der Liturgie. Umgekehrt gilt es aber auch, im Blick zu behalten, ob und wie Gottesdienste würdig gefeiert werden können.
Diskutiert wird auch, ob das weitere Mittragen von Beschränkungen durch die Kirchen nicht nur ein Akt der Solidarität mit vielen anderen Menschen in der Gesellschaft, sondern auch ein anhaltender Beitrag zur Senkung des Infektionsrisikos sein könnte.

Viele Fragen, die alles andere als einfach zu lösen sind … Wir wünschen Ihnen für die kommenden Tage einen klaren Blick und Zeit für die Dinge, die Ihnen wichtig sind.

Dekanatsleitung und Dekanatsgeschäftsstelle
Dekanat Mergentheim

Hirtensorge

In unsicheren Zeiten fühlt sich die Mehrheit der Deutschen von den verantwortlichen Politikern der Regierung sicher geführt. So zeigen es die Umfragen. Im Stillen ist auch nach sechs Wochen Notverord-nungen gelegentlich zu hören, dass manche dem gebremsten und entschleunigten Leben auch Positives abgewinnen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wie lange diese Einschätzung hält – bei den Kontra-henten aus der Politik, bei den Medien wie in der Bevölkerung.

Nach dem liturgischen Kalender der Kirche haben wir am 3. Mai den 4. Sonntag in der Osterzeit, den Sonntag des „Guten Hirten“. Die „Hirten” aus der Politik erhalten aus der „Herde”/Bevölkerung viel Zustimmung und zufriedene Anerkennung. Die Menschen sehen sich zum Großteil gut geführt in den unsicheren Zeiten. Die Zahl der „Corona-Toten” in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen ist ein sprechender Indikator für gute politische Hirtensorge: vor der Krise bei der Kapazität der Krankenhäuser und Intensivpflege, in der Krise bei den getroffenen Schutzmaßnahmen und hoffentlich auch auf einem sehr lang werdenden Weg zur „Herdenimmunität”.

Auf die Politik übertragen ist das Bild Hirte-Herde ungewohnt – doch ein aus der Antike berechtigtes. Die Menschen des Alten Orient sahen ihre Herrscher im Bild des Hirten. Der König sollte herrschen und dabei König sein wie ein Hirte, der seine Herde lenkt, leitet, schützt. Die Regierung löste zumindest im Fall der Corona-Pandemie diesen Anspruch ein. Die Krise wurde ihr zur Chance beim Imagewechsel.

An diesem politischen Hirte-Sein für die Menschen sind viele Ebenen und Berufsgruppen der Gesellschaft beteiligt. Sie verdienen hohen Respekt und Dank für ihren Einsatz. Wir alle als Kirche sollten diesen Zuständigkeitsbereich der Politik und ihrer Organe sehen und die Wahrnehmung und Erfüllung dieser Sorge um die Gesundheit des Volkes anerkennen und würdigen – weil alle Menschen Gottes Kinder sind und alle unter den Naturgesetzen leben, nach denen sich auch Viren verbreiten. Diesen Bereich regelt die Politik. Als Kirche leben wir in keiner abgesonderten Welt, sondern in der einen Welt mit allen anderen Menschen.

Wie stehen die Kirche bzw. ihre Hirten da? In der Kirche ergäbe eine Umfrage vermutlich ein anderes Meinungsbild, und nicht wenige Gläubige würden gerne in einem „Herdenbrief” an die Hirten ihre Sicht darlegen – was in den Medien durchaus zu lesen ist.

Es ist für die „Hirten” der Kirche vernünftig und gut, auf die sachlich richtigen Einschätzungen der Medi-ziner zu hören und die politischen Konsequenzen daraus zu beachten und mitzutragen. Eine Krisensitua-tion erzwingt den Blick und die Konzentration auf Wesentliches. „Geplänkel” hat nur Raum und Zeit im gesicherten Terrain. Ein Blick auf das Evangelium, Johannes 10,1–10, kann hilfreich sein.

Der Evangelist will dem Leser im Bild des Hirten die klare Aussage erschließen: Jesus ist der Christus, Gottes Sohn – Joh 10,30: „Ich und der Vater sind eins.” In dem Abschnitt vom 4. Sonntag spricht das Evangelium von der Tür, die Jesus ist, und davon, dass nur der Hirte durch die Tür geht. Der Hirte/Christus spricht jede/jeden beim Namen an und kennt somit alle persönlich. Weiter ist die Rede vom Türhüter und jenen, die nicht durch die Türe kommen. Sie sind als Diebe und Räuber entlarvt.

In der Konsequenz heißt das: Es gibt nur einen Hirten Jesus Christus. IHM gehört die Schar der Gläubigen. IHM muss niemand die „Schafe” zuführen oder vorstellen. ER kennt jede/jeden mit Namen. ER weiß, wen ER vor sich hat. Das prägende Verhältnis zwischen Gott/Jesus Christus und dem einzelnen Menschen ist existentiell als Ich-Du-Vertrautheit zu erkennen.

Welche Aufgabe kommt den Hirten der Kirche unter der genannten Prämisse zu? Es bleibt nach dem Johannesevangelium die Aufgabe des Türhüters – Schutz der Herde, die dem Herrn gehört. In unserer Situation muss das Schutz vor Ansteckung beinhalten und Wahrung von Glaubensvollzug. Der Situation entsprechend vollzog Papst Franziskus dies am Abend des 27. März mit der eucharistischen Andacht und der Segensfeier „Urbi et orbi”. Da stand der Pontifex unter der Tür, gab den Nöten und Fragen von Men-schen und Welt Raum und baute ihnen mit dem Gottesdienst eine Brücke zu Gott, DEN er der Welt in eucharistischer Gestalt zeigte. Damit sie das Leben haben in einer Ich-Du-Vertrautheit mit Gott.

Helmut Nohanowitsch, Stellvertretender Dekan
Dekanat Hohenlohe

Was kann ich tun?

Das Evangelium zum „Sonntag des Guten Hirten” finden Sie hier. Sie können sich fragen: Wer ist für mich Hirte? Wen erlebe ich in diesen Zeiten als Hirte oder Hirtin? – Wenn Jesus die Tür ist: Wohin führt er mich, wenn er sich mir und ich mich ihm öffne?

„Diese Zeit der Gnade dient auch uns Priestern und Diakonen dazu, ein wenig anzuhalten, nachzudenken und unser pastorales Leben neu zu strukturieren, intensiver zu beten, inmitten von so viel Aktivismus zu entschleunigen, das Buch zu lesen, das wir auf halbem Weg im Regal unseres Buchladens liegen gelassen haben, die Eucharistie in friedlicher und verlassener Einsamkeit zu feiern, über die Wunden nachzudenken und sie zu heilen, die wir hinterlassen, kurz, das Wesen unseres Dienstes zu erforschen”, dies schreibt Antonio Gómez Cantero, Bischof von Teruel und Albarracín in Spanien an seine Priester. Er spricht von einer neuen Art des Fastens, die auch in dieser besonderen Osterzeit wichtig sein könnte. Wenn Sie seine Gedanken „nach-denken” wollen, so finden Sie eine deutsche Übersetzung hier.

Hirten und Hirtinnen sorgen für andere. Eine schöne Idee dazu ist, anderen Menschen durch einen be-malten Stein ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Überall in Deutschland sind inzwischen solche Initiati-ven entstanden, die bunt bemalte Steine an öffentlichen Orten in einer Reihe aneinanderlegen. Wenn Sie sich informieren wollen, finden Sie beispielsweise hier
einen Bericht.