In „unsicheren” Zeiten … – Nr. 2 – Fass mich nicht an

Bildnachweis: Fra Angelico, Noli me tangere, Kloster von San Marco, Florenz, um 1440, wikimedia.org


Liebe Mitchristen,


die Corona-Pandemie hat uns weiterhin „fest im Griff”. Viele schauen nicht nur voller Entsetzen und Sorge auf die Entwicklungen vor allem in Italien und Spanien, sondern haben inzwischen auch Betroffene im Verwandten- und Bekanntenkreis. Die Sorge um geliebte Menschen, aber auch die „offenen Fragen”, wie das alles weitergeht und was die momentane Situation mittel- und langfristig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für ein gerechtes, gesichertes Zusammenleben bedeutet, treiben viele Menschen um.

In diesen „unsicheren Zeiten” wollen wir Ihnen auch diese Woche wieder ein Angebot machen: Vor dem Wochenende senden wir Ihnen einen Text und Impulse zu, die Ihnen helfen wollen, gut durch diese Zeit zu kommen.
Wenn Sie wollen, nehmen Sie sich wieder die Zeit, kurz innezuhalten, zu lesen, nachzudenken oder sich klar zu werden, was Ihnen in dieser Zeit wichtig ist. Gerne können Sie diesen Impuls auch weiterleiten.
Wir wünschen Ihnen alles Gute und Gottes Segen – gerade auch für Ihren „Weg auf Ostern hin”.

Dekanatsleitung und Dekanatsgeschäftsstelle


P.S.: Natürlich nehmen wir Sie auch umgehend aus dem Verteiler, wenn Sie uns kurz entsprechend informieren.

 

Fass mich nicht an

Abstandhalten heißt das Gebot der Stunde. „Im Moment ist nur Abstand Ausdruck von Fürsorge”, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Fernsehansprache vor rund einer Woche. Unseren Alltag prägen inzwischen Abstandsmarkierungen vor den Supermarktkassen und Plexiglasscheiben an den Tresen der Apotheken. Besonders eindrücklich habe ich gerade vor Augen, wie vor wenigen Tagen beim Blutspenden die Warteschlange aus dem Raum weit auf die Straße hinausging und die Menschen jeweils rund zwei Meter auseinander stehend geduldig ausharrten, bis sie an der Reihe waren.

Es ist schwer, auf den anderen, der mir wichtig ist, nicht mehr im wahrsten Sinn des Wortes „zugehen” zu können. Bei Begräbnissen kann keiner den anderen mit körperlicher Nähe trösten – etwa durch einen stillen Händedruck oder eine Umarmung.

Und inzwischen ist auch klar: Die Kar- und Ostertage, die eindrücklich machen, dass Gott als Mensch dem Menschen in den Abgründen und Höhen des Lebens nahe ist, werden in diesem Jahr unter körperlichem Ausschluss der Öffentlichkeit gefeiert werden …

In dieser Situation kommt mir eine Bildtradition in den Sinn, die Maler durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder dargestellt haben. Das „Noli me tangere”-Motiv, das ich meine, bezieht sich auf das 20. Kapitel des Johannesevangeliums. Dort war Maria Magdalena nach Jesu Tod zum Grab geeilt, hatte den Leichnam aber nicht gefunden. In dem Moment, in dem Maria den Auferstandenen erkennt, sagt dieser zu ihr: „Noli me tangere” – so die lateinische Übertragung des griechischen Urtextes.

Die Einheitsübersetzung übersetzt: „Halte mich nicht fest.” Die Lutherübersetzung formuliert: „Rühre mich nicht an.” Umgangssprachlich könnte man vielleicht frei übertragen: „Fass mich nicht an.”

Fra Angelico, der Dominikaner und Maler aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, hat diesen Moment in einer Weise dargestellt, die mir besonders gut gefällt.

Fra Angelico verzichtet auf die Engel am Grab oder auch die schlafenden Wächter, die man auf anderen Gemälden findet. Der Zaun im Hintergrund verweist darauf, dass es hier um ein auf zwei Personen konzentriertes Geschehen geht: Maria Magdalena hat sich dem leeren Grab abgewandt und ist im Moment des Erkennens in die Knie gesunken. Der Auferstandene ist noch leicht im Weggehen begriffen, wendet sich aber ihr gleichzeitig zu.

Am spannendsten finde ich aber die Darstellung der Hände. Während viele andere Gemälde eine Maria Magdalena abbilden, die die Nähe sucht, und einen Jesus, der diese Nähe teils energisch abwehrt, steckt hier – so finde ich – in der Distanz ganz viel gegenseitige „Nähe” drin. Nicht nur die Blicke der beiden begegnen sich, sondern auch die Hände scheinen sich über den Abstand hinweg zu „berühren”.

Für mich macht dieses Bild Mut, auch in Zeiten der Distanz darauf zu vertrauen, dass Nähe in vielfältiger Weise möglich ist. Es hilft mir, gerade jetzt achtsam dafür zu sein.
Und nicht zuletzt verweist die Aufforderung Jesu nach der Einheitsübersetzung „Halte mich nicht fest” darauf, dass Nähe auch vereinnahmen kann. Auch darauf gilt es zu achten …

Thomas Böhm
Dekanatsreferent

Was kann ich tun?

Wenn Sie wollen, drucken Sie sich das Bild Fra Angelico aus und hängen Sie es sich an eine Stelle, an der Sie es immer wieder im Blick haben. Oder richten Sie es sich als Bildschirmhintergrund am Computer ein. Die Datei finden Sie hier.
Sie können sich fragen: Wo kann ich im guten Sinn in diesen Tagen trotz Abstand Nähe schenken? Wann und wo brauche ich gerade Nähe – oder vielleicht auch Abstand?

Nehmen Sie sich Zeit und lesen Sie in Ruhe den Abschnitt 20,11–18 aus dem Johannesevangelium. Den Bibeltext finden Sie auch hier.

Bei vielen Themen – nicht nur bei der Corona-Krise – sind wir inzwischen allen Menschen nah, weil diese Themen uns alle betreffen. Am Samstag, den 28. März 2020, findet von 20:30 bis 21.30 Uhr die Earth Hour statt – die weltweit größte Aktion für mehr Klima- und Umweltschutz. Rund um den Globus werden nun zum 14. Mal Millionen von Menschen, tausende Städte, Gemeinden und Unternehmen für eine Stunde das Licht ausschalten und so gemeinsam ein starkes Zeichen für den Schutz unseres Planeten setzen.
Vielleicht wollen Sie an diese Aktion denken oder auch mitmachen. Nähere Infos finden sich etwa hier.
In jedem Fall lohnt es sich nachzudenken, was es bedeutet, Verantwortung füreinander zu haben, und entsprechend zu handeln.