Geistliches Wort vom 24.08.2019

Jammern verboten

Dekan Ulrich Skobowsky (Foto: U. Skobowsky)

Heute schon gejammert? Willkommen im Club! Der Wecker klingelt zu früh, der Zug kommt zu spät, der Kaffee ist zu heiß, das Duschwasser zu kalt; kurz: die Welt hat sich gegen mich verschworen. „Du bischt der Ärmscht!”, hat mir mal jemand gesagt. Wie gut es doch tun kann, der Ärmste zu sein… Von wegen! Jammern ist so sexy wie eifersüchtig sein. Heute schon gejammert? Ich glaube: Wir Deutschen sind Weltmeister darin. Manchmal muss man erst woanders gelebt haben – bei mir waren es Frankreich und das Heilige Land –, bis mir das so richtig aufgefallen ist. Das fängt schon bei unserem Lieblingsthema an. Wir machen uns große Sorgen über die Trockenheit, aber wenn es regnet, schimpfen wir über das „schlechte Wetter“. Die Winter sind auch nicht mehr das, was sie mal waren! Und kaum liegt tatsächlich Schnee, ist es spätestens nach drei Tagen höchste Zeit, dass endlich Frühling wird.

Gibt es einen Monat lang kein Wirtschaftswachstum, stehen wir am Abgrund, und sind die Daten bestens, dann haben wir – zur Sicherheit – schon mal kräftig Angst, denn die nächste Krise kommt bestimmt. „So kann es jedenfalls nicht mehr weitergehen!” Ich jammere, also bin ich! Wenn ich überlege, unter welchen Bedingungen Muhammad in Ostjerusalem seine Familie durchbringen muss, oder in welcher Bescheidenheit und Genügsamkeit Miriam im jüdischen Teil der Stadt ihren „Laden” zusammenhält – bei halbem Lohnniveau, aber denselben Preisen wie bei uns. Von der Angst um den Frieden ganz zu schweigen! Was ist Jammern? Irgendetwas zwischen Undankbarkeit und Selbstmitleid, ja Selbstbetäubung. „Bevor wir so genannten Migranten helfen, sollten wir uns erstmal um die Alleingelassenen in unseren Heimen kümmern!”, mailt mir jemand sinngemäß zu und droht mit Kirchenaustritt. Mich juckt es, ihm zurückzuschreiben: „Jetzt erzählen Sie mal: wen besuchen Sie denn selbst von diesen Einsamen, die niemanden mehr haben?” Jammern scheint so etwas wie ein fester Bestandteil unserer Kultur geworden sein, eine Art unbefristeter Status quo - vielleicht ja auch deshalb, weil man aus seiner Situation, aus seinem Umfeld eben nicht mal kurz und schmerzlos austreten kann (und will?) wie etwa aus der Kirche. Freilich: beides, das Jammern und das Austreten, hat noch nie wirklich etwas verändert oder verbessert an dem, was anders oder besser werden soll. „Vietato lamentarsi!” Das steht auf dem Schild an der Wohnungstür von Papst Franziskus, dem oft genug zum Davonlaufen wäre. „Jammern verboten!” „Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.”, so der chinesische Philosoph Konfuzius schon vor zweieinhalb Jahrtausenden. Und Jesus wird in der Bergpredigt noch konkreter, noch persönlicher: „Ihr seid das Licht der Welt!” (Matthäus 5, 14). Nicht: Ach menno, warum seid ihr solche Funzeln! Auch nicht: Macht gefälligst euer Licht an! Sondern: „Ihr seid das Licht!” Wer? Wir! Ich denke an die Menschen, die sich zusammentun, um ihren Dorfladen aufrecht zu erhalten oder ihr Schwimmbad vor Ort. Ich denke an Waldputzete, Baumpflanzaktionen, Sprachkurse, Besuchsdienste, Fahrgemeinschaften in die Stadt. Vietato lamentarsi! Das Leben ist zu kurz zum Jammern. Trau deinem Licht - und handle!

Dekan Ulrich Skobowsky, Fränkische Nachrichten, 24.08.2019, www.fnweb.de