Den Menschen Mut und Zuversicht geben

Kirchen und der Coronavirus - Gottesdienste, Hochzeiten, Kommunion, Konfirmation, Firmungen und Kirchenmusik wurden abgesagt / Beisetzungen nur unter freiem Himmel

Viele Gemeinden überlegen, ob sie den Gläubigen Gottesdienste in Zeiten von Corona auch per Stream bieten sollten, um den direkten Kontakt zu halten. (Foto: dpa)

Einschränkungen von Gottesdiensten und Kasualien der beiden christlichen Kirchen durch die Corona-Krise

Wie die katholischen Bistümer bereits bekannt gegeben haben, wird die Pfarrgemeinderatswahl am 22. März ausschließlich als Briefwahl stattfinden. Die Fristen wurden allerdings bis Anfang April verlängert. Informationen unter www.ebfr.de oder www.drs.de im Internet.
Weitere Änderungen im Bistum Rottenburg-Stuttgart: Taufen und Hochzeiten dürfen bis Ende Mai nicht stattfinden. Kommunionen und Firmungen werden auf die Zeit nach den Sommerferien verschoben. Im Allgemeinen wird die Hauskommunion und Krankensalbung eingestellt. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger stehen aber auch in dieser Krisensituation an der Seite der Kranken. Beerdigungen finden statt, Trauerfeiern und Requiem müssen n
Erzdiözese Freiburg: Taufen, Trauungen und Beisetzungen dürfen nur im engsten Familienkreis stattfinden, Erstkommunionfeiern und Firmungen werden verschoben. Eine Feier der Krankensalbung ist ausgesetzt. Die Einzelspendung und die Krankenkommunion im Einzelfall sind davon unberührt.
Evangelische Landeskirche in Baden: Taufen und Trauungen, die bis zum 15. Juni geplant waren, müssen abgesagt und verschoben werden. Das gilt auch für Konfirmationen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) empfiehlt für Bestattungen eine maximale Größe von zehn bis zwölf Personen und die Durchführung nur im Freien.
Evangelische Landeskirche in Württemberg: Taufen, Trauungen und Konfirmationen müssen verschoben werden. Beerdigungsgottesdienste werden unter freiem Himmel abgehalten. Sollte es behördliche Auflagen zur Größe der gottesdienstlichen Versammlung auch unter freiem Himmel geben, so sind diese einzuhalten.
In allen Kirchen sind Gottesdienste und Konzerte abgesagt.


Den Menschen nah sein, sie im Glauben bestärken und in schwierigen Situationen stützen, lautet ein zentraler Auftrag der Kirchen. In Zeiten von Corona stellt das einen Drahtseilakt dar.
Gottesdienste sind ausgesetzt, Kommunion und Konfirmation abgesagt, Taufen, Hochzeiten und Bestattungen nur im kleinsten Familienkreis möglich. Den Empfehlungen und Maßgaben der Landesregierung vom 16. März sowie kommunalen Verordnungen können sich auch die Kirchen nicht entziehen, obgleich sie eigentlich ein Ort der Begegnung und der Gemeinschaft sind.
Auch das Diakonische Werk Main-Tauber-Kreis und der Caritasverband im Tauberkreis beugen sich den Vorschriften. Alle Tafeln im Main-Tauber-Kreis, von Bad Mergentheim über Tauberbischofsheim, Lauda-Königshofen und Bad Mergentheim wurden geschlossen. Betroffen ist auch die Werkstätte in Grünsfeld, die der Caritasverband betreibt. „Nachdem in der Werkstätte Grünsfeld am 17. März ein Infektionsfall bestätigt wurde, bleibt die Einrichtung zunächst zwei Wochen geschlossen”, heißt es auf der Homepage.
Den Menschen beistehen lautet ein wesentliches Merkmal der christlichen Nächstenliebe, der sich die Kirchen verpflichtet fühlen. Verkündigung und Seelsorge sind wichtige Prinzipien. Ohne Nähe, tröstende Worte bei persönlichen Begegnungen, dem Handhalten bei Leidenden oder Sterbenden sowie der Umarmung bei der Überbringung schlimmer Nachrichten, wie dem Todesfall eines Angehörigen, scheint das kaum zu gehen. Dennoch müssen sich die Kirchen auf die veränderte Situation einstellen.
Erzbischof Stephan Burger von der Erzdiözese Freiburg appelliert an die Gläubigen, „unser persönliches und auch unser kirchliches Leben so zu gestalten, dass wir das Gemeinwohl und das Leben der anderer, insbesondere von Risikogruppen, nicht gefährden und nicht zur Verbreitung des Corona-Virus beitragen.” Sein Bischofskollege Gebhard Fürst von der Diözese Rottenburg-Stuttgart sagt: „Das Gebot der Nächstenliebe, Fürsorge und Barmherzigkeit gegenüber Menschen, die besondere Zuwendung benötigen, leitet unser Handeln weiterhin, gerade in dieser schweren und kritischen Zeit.”
Auf evangelischer Seite sehen die Ausführungen ähnlich aus. „Gerade in der Not ist es wichtig, dass wir einander trösten und im Glauben und Lieben stärken”, so Bischof Cornelius Bundschuh von der Badischen Landeskirche. Sein württembergisches Pendant Otfried July plädiert für ein „Handeln in Nächstenliebe und ruhiger Verantwortlichkeit”.

Glocken weiter läuten
Keine Panik schieben und dennoch für die Gemeindemitglieder da sein, lautet die Herkulesaufgabe für die Gemeinden vor Ort. Viele Dekanate, egal ob katholisch oder evangelisch, haben sich entschieden, die Glocken zu den Gottesdienstzeiten weiter zu läuten, um die Menschen zum Gebet aufzurufen, egal ob allein oder gemeinsam mit der Familie. Einige Pfarrer im Dekanat Adelsheim-Boxberg wollen zu den Gottesdienstzeiten in jedem Fall in ihren Kirchen präsent sein, um bei genügendem Abstand ein Gespräch zu führen oder miteinander zu beten. „Die Kirchliche Fastenzeit kann in der Corona-Krise Orientierung bieten”, meint Dekan Rüdiger Krauth. „Dabei geht es nicht um den notwendigen Verzicht, sondern um eine neue Achtsamkeit für das, was im Leben wirklich wesentlich ist.”
Auch im evangelischen Dekanat Weikersheim werden die Kirchentüren offengehalten. Natürlich sei es tragisch, wenn Hochzeiten, zu denen viele Gäste erwartet werden und die lange geplant wurden, verschoben werden müssten, so Dekanin Renate Meixner. Besonders die große Unsicherheit, wie es weitergehe, mache allen zu schaffen. „Was im Juni ist, weiß man nicht”, sagt sie.
Renate Meixner ist sich aber sicher, dass es ihr, ihren Kollegen und allen in der Kirche Aktiven gelingen wird, den Kontakt zu den Gläubigen aufrechtzuerhalten. Mit Einkaufshilfen, Telefonaten oder eingeworfenen Andachten gelte es diejenigen zu erreichen, die einsam sind oder einfach nicht mehr alles allein schaffen. Ganz wichtig findet es Meixner, vernünftig und besonnen zu handeln und sich nicht von der Panik packen zu lassen.
Einen „Spagat zwischen Verkündigung und Seelsorge” sieht der Tauberbischofsheimer Dekan Gerhard Hauk. Viele Menschen brächten großes Verständnis für die ungewohnte Distanziertheit der Kirchen auf. Doch die Seelsorger verweigerten keine seelsorgerlichen Gespräche, sondern achteten lediglich auf einen gebührenden Abstand. Durch die weiterhin offenen Kirchentüren sieht er zudem eine „neue Kultur des persönlichen Gebets”, die bislang nur von Einzelnen geprägt wurde.
Sowohl Gerhard Hauk als auch sein Kollege Ulrich Skobowsky vom katholischen Dekanat Mergentheim ist es wichtig, den Kontakt zu alten und einsamen Menschen aufrecht zu erhalten. „Es gibt so viele Menschen, die Hunger nach Trost haben”, stellt Skobowsky immer wieder fest. Er selbst ist es gewohnt, zwischen fünf und elf Gottesdienste in der Woche zu feiern. Darauf zu verzichten, falle ihm persönlich sehr schwer. Doch wie alle seine Mitstreiter weiß auch er, dass der unsichtbare Feind Coronavirus nicht zu unterschätzen ist. „Durch einen unbedarften Umgang darf niemand in Gefahr gebracht werden”, appelliert er.
„Das ist eine Sondersituation für uns alle”, stellt Dekan Johannes Balbach vom Dekanat Mosbach-Buchen zur Corona-Krise fest. „Selbstverständlich werden wir weiterhin für die Kranken und Helfenden beten”, fügt er an. Um die Menschen weiterhin pastoral und seelsorgerisch zu erreichen, wurde eine Art Telefon-Seelsorge unter Telefon 0170/1275600 eingerichtet.
Für den Dekan und Kaplan Julian Donner ist es wichtig, in dieser nicht einfachen Zeit mit den Gläubigen in Verbindung zu bleiben. Deshalb wird man zu jedem Sonn- und Feiertag einen „Geistlichen Impuls” herausbringen. Dabei handelt es sich um einen Text in der Länge einer Din-A-4-Seite. „Wir wollen nah sein trotz der räumlichen Distanz”, erläutert der Kaplan.

Mit Worten und Taten helfen
Im Punkt Nähe zu den Gläubigen ticken die beiden christlichen Konfessionen ähnlich. „Unser Besuchsdienst wird genau hinsehen, wo und wie jemandem geholfen werden kann”, erläutert Oliver C. Habiger, Dekan-Stellvertreter des Dekanats Wertheim. Klar sei, dass Menschen andere Menschen brauchen, sie im Glauben gestärkt werden und ihnen ganz praktisch Mut zugesprochen werde.
Dass sich momentan alles nur noch um das Thema Coronavirus dreht, stimmt Habiger bedenklich. „Es macht etwas mit der Seele, wenn nur noch ein Thema bestimmend ist”, meint er. „Leute, die eigentlich sehr beredsam waren, sind jetzt auffällig still”, beobachtet er. Gerade in Zeiten der Unsicherheit sehnten sich viele nach Klarheit. „Der Halt im Glauben”, so Habiger, „ist in diesen Tagen ganz wichtig.”

Heike von Brandenstein, Fränkische Nachrichten, 19.03.2020, www.fnweb.de