„Bitte keine Lippenbekenntnisse mehr”
Fällt das Zölibat? Die deutsche katholische Kirche könnte mit die größten Reformen ihrer Geschichte erleben.
Es ist soweit. Die Deutsche Bischofs-Konferenz tagt am Wochenende, um ihren Fahrplan für den Synodalen Weg zu besprechen.
Der Begriff Synode bezeichnet eine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten. Und diese Versammlung könnte mit die tiefgreifendsten Reformen bringen, die die deutsche katholische Kirche je erlebt hat.
Wir sprachen mit dem Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz und hörten uns bei den Geistlichen der Region zu ihrer Meinung zu dem Thema um. Der Stein, der alles ins Rollen brachte, war die MHG-Studie. Sie widmet sich dem sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz. Der Name ergibt sich aus den Städten der beteiligten Institutionen (Mannheim, Heidelberg und Gießen).
Weitere Probleme aufgezeigt
Sie habe auch Probleme aufgezeigt, die über das Thema des sexuellen Missbrauchs hinausgehen, erklärt Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz. „Die Bischofskonferenz hat sich vor einem Jahr in einer Erklärung verpflichtet, diesen Themen nachzugehen: Machtfragen, priesterliche Lebensform, Sexualmoral.” Ein vierter Block schloss sich im Nachhinein an: „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche”. „Maria 2.0”, die deutschlandweite Protestbewegung der Frauen, hat in diesem Zusammenhang, laut Pressesprecher, übrigens keine Rolle gespielt: „Das Forum ist auf Bitten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken eingerichtet worden. Maria 2.0 hatte hier keinen Einfluss.”
Es wird konkret
Am Wochenende soll der konkrete Inhalt dieser vier „Arbeitstitel” nun in vier verschiedenen Foren konkretisiert werden. Was das im Klartext bedeutet, da hält sich der Pressesprecher noch bedeckt: „Das wird derzeit geklärt. Erkenntnisse aus der MHG-Studie fließen ebenso in die Diskussionen der Foren ein, wie Erkenntnisse und Entwicklungen in der theologischen Forschung.” Außerdem würden Fachvorträge, die auf Frühjahrs-Vollversammlung in Lingen (März 2019) gehalten wurden, miteinbezogen.
Doch wie handlungsfähig ist die deutsche Katholische Kirche, in ihren Beschlüssen? „Es gibt Fragen, die nicht ohne Rom zu klären sind, das heißt: Es wird keinen deutschen Sonderweg geben. Jeder Bischof trägt die Verantwortung für sein Bistum und die im Bistum befindlichen Pfarrgemeinden”, so Pressesprecher Matthias Kopp.
Pfarrer Jürgen Banschbach (Wertheim): „Die Veränderungen in unseren Kirchengemeinden sind von Jahr zu Jahr spürbarer. Es brechen uns nicht nur die Gottesdienstbesucher immer mehr weg, sondern auch die Anzahl der Ehrenamtlichen und der Hauptamtlichen in unserer Kirche. Das wird als Konsequenz einen enormen Einbruch in der Liturgie wie auch in der Pastoral der Gemeinde vor Ort bedeuten. Wie lebensfähig werden Gemeinden vor Ort noch in zehn Jahren sein? Territoriale Gemeinden werden wahrscheinlich durch Personalgemeinden, die sich über größere Räume hinweg erstrecken, ersetzt. Deshalb sollte die Bischofskonferenz die Frage der Gewinnung von Ehrenamtlichen wie der Hauptamtlichen angehen wie auch ein Zukunftsbild pastoraler Räume schaffen, die der Situation gerecht werden. Ein synodaler Weg geht nur in Einbeziehung von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in der Diskussions- wie auch in der Entscheidungsphase, denn die Bischöfe haben vielfach keinen Überblick darüber, was pastoral wirklich in den Gemeinden läuft.”
Dekan Ulrich Skobowsky, (Bad Mergentheim): „Das Wichtigste ist meines Erachtens die Machtfrage, das heißt die Verteilung und das Zutrauen von Verantwortung. Wo, wie und wohin führt Gottes Geist die Kirche? Und durch wen? Kurz: Es geht um Verzicht auf Leitungsprivilegien. Und um ’Beteiligung’, also Ernstnehmen aller Getauften als „Mitbürger” (Epheser 2,19) mit Bürgerrechten, etwa bei Bischofswahlen. Dazu gehört das Ernstnehmen von deren Talenten und Knowhow, auch vor Ort (Ökumene!); das Ernstnehmen von menschlichem Scheitern, in Beziehungen wie auch in und an kirchlichen Strukturen (Männerkirche, Missbrauch). Aber bitte nicht schon wieder Lippenbekenntnisse (’Dialogprozess’), sondern endlich konkrete Maßnahmen!”
Dekan Gerhard Hauk (Tauberbischofsheim): „Synodaler Weg – damit sind große Erwartungen verbunden, aber auch Angst vor Enttäuschungen. Wichtig sind „angestaute” Themen, die teilweise zurückgehen bis zu Diskussionen bei der Würzburger Synode: Priesterliche Lebensformen (Zölibat), Gemeindeleitung, Frauen in kirchlichen Diensten und Ämtern. Der Zugang zum Glauben und die spirituelle Vertiefung im Glauben bilden allerdings die Basis für alle zukunftsweisenden Beschlüsse und dürfen nicht aus dem Blick verloren werden. Auch das Thema ’Bewahrung der Schöpfung’ ist drängend und zukunftsträchtig. Ich erwarte dazu wegweisende Worte, die über politische Forderungen hinausgehen und Veränderungen im persönlichen Lebensstil durchaus einschließen.”
Pfarrer Stefan Märkl (Lauda-Königshofen): „Ich erhoffe mir, dass sich die Beteiligten fair und ehrlich begegnen. Bei den Themen, die weltkirchlich entschieden werden müssen, bin ich etwas skeptisch, ob der so genannte synodale Weg in Deutschland große Veränderungen bewirken kann. Von den vier vorgegebenen Themen des synodalen Weges finde ich daher den Punkt ’Macht, Partizipation, Gewaltenteilung’ besonders wichtig, vor allem weil wir gesehen haben, wie viel Verletzung und Schaden der Missbrauch von Macht anrichten kann.”
Auftakt am 1. Advent
Die Beschlüsse, die am Wochenende gefasst werden, gehen bereits zehn Tage später in die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz.
Ab dem ersten Advent soll der Synodale Weg dann beschritten werden: „Wie der Auftakt am 1. Advent aussieht, klärt sich noch. Der Prozess wird circa zwei Jahre dauern. Das heißt: Ergebnisse (wir reden derzeit nicht von Beschlüssen) wird es nicht vor 2021 geben”, schreibt der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz Matthias Kopp.
Gabriel Schwab, Fränkische Nachrichten, 12.09.2019, www.fnweb.de