Orte der Begegnung für Familien schaffen

Aktuelle Entwicklungen im Fokus: Spitze der Kreisverwaltung und Dekane im jährlichen Gedankenaustausch

Beim Gedankenaustausch der Dekane mit der Kreisverwaltung standen aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen im Vordergrund (von links): Dekan Hayo Büsing, Landrat Reinhard Frank, Dekanin Renate Meixner, Sozialdezernentin Elisabeth Krug sowie die Dekane Gerhard Hauk, Ulrich Skobowsky und Rüdiger Krauth. (Foto: Markus Moll/Landratsamt)

Landrat Reinhard Frank sowie Kreis-Sozialdezernentin Elisabeth Krug haben zum Jahreswechsel wieder die katholischen und evangelischen Dekane aus dem Main-Tauber-Kreis zu einem Gedankenaustausch im Landratsamt empfangen.

Im Vordergrund des Treffens stand die Diskussion über aktuelle Entwicklungen in der Gesellschaft, insbesondere über die Entwicklung familiärer Strukturen.

Landrat Frank dankte den katholischen Dekanen Gerhard Hauk (Tauberbischofsheim) und Ulrich Skobowsky (Bad Mergentheim) sowie ihren evangelischen Kollegen Hayo Büsing (Wertheim), Rüdiger Krauth (Adelsheim-Boxberg) und Renate Meixner (Weikersheim) für das gute Miteinander von Kreis und Kirchen im vergangenen Jahr.

Leider sei das Jahr 2016 gekennzeichnet gewesen von vielen Zeichen der Gewalt und der menschlichen Verrohung, beispielsweise bei dem schrecklichen Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, erklärte Landrat Frank. In dieser Situation sollten die Menschen gemeinsam und mehr denn je für ein Staatswesen der Toleranz, Freiheit und Solidarität eintre-ten, anstatt sich radikalen Strömungen anzuschließen.

Empfang zum Reformationsfest
Dekan Hayo Büsing verwies darauf, dass die evangelischen Kirchen 2017 den 500. Jahrestag der Reformation feiern. Dazu werden allein in und um Wertheim mehr als 40 Veranstaltungen angeboten. „Wir wollen Luther in die Stadt tragen”, formulierte er. Deshalb waren im vergangenen Herbst auch an 25 verschiedenen, öffentlich zugänglichen Orten in Wertheim Lutherfiguren aufgestellt worden.

Wie Dekanin Renate Meixner informierte, planen die drei evangelischen Dekanate am 30. Oktober, dem Vorabend des Reformationsfestes, zudem einen gemeinsamen Empfang im Rittersaal des Schlosses Weikersheim. Auch über den Familienbericht der Landkreisverwaltung wurde diskutiert. Dekan Rüdiger Krauth wies darauf hin, dass in Deutschland inzwischen mehr Kinder in nichtehelichen Partnerschaften als in Ehen geboren werden. In den familiären Strukturen „bröckelt es wirklich”, sagte Krauth. „Dies kann nicht gut sein für die Gesellschaft.”

Wandel in den Familienstrukturen
Sozialdezernentin Elisabeth Krug wies darauf hin, dass es auch positive Entwicklungen gibt. Der Main-Tauber-Kreis habe in Hochphasen mehr als 137 000 Einwohner gehabt, dieser Wert sei vor wenigen Jahren auf unter 130 000 gefallen. Inzwischen leben jedoch wieder mehr als 132 000 Menschen im Main-Tauber-Kreis.

Das sei nicht nur ein Ergebnis der Flüchtlingswelle im Jahr 2015, sondern „auch die Geburtenzahlen scheinen wieder stabiler zu steigen”. Mittlerweile werden wieder mehr als 1000 Geburten pro Jahr im Main-Tauber-Kreis verzeichnet.

Elisabeth Krug bestätigte, dass es einen Wandel bei den Familienstrukturen gibt. Der spiegle sich auch darin, dass die Kinder- und Jugendhilfemaßnahmen des Landkreises und die entsprechenden Ausgaben auf einem Höchstniveau angekommen seien. Positiv sei, dass diese Hilfen von vielen Eltern heute auch wie selbstverständlich angenommen werden, ohne Angst vor einer Stigmatisierung.

Sowohl Sozialdezernentin Krug als auch Landrat Frank sprachen sich angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung dafür aus, den Familien kreisweit Orte der Begegnung anzubieten, beispielsweise in Familienzentren. Der Landrat sagte, er appelliere an die Kommunen, solche Angebote zu schaffen und bat die Kirchenvertreter dabei um Unterstützung. Dekanin Renate Meixner signalisierte „höchstes Interesse, vor allem auch in die Richtung von Mehrgenerationen-Angeboten.”

Dekan Gerhard Hauk machte auf die Situation insbesondere in den kirchlichen Kindertagesstätten aufmerksam: „Viele Kinder benötigen heute ein wesentlich höheres Maß an Zuwendung; gleichzeitig müssen jedoch die Leiterinnen dieser Einrichtungen wahnsinnig viel Büro-kratie schultern.” Es gebe kaum Personalreserven bei Krankheit, gleichzeitig seien die Erwartungen der Eltern an eine verlässliche Betreuung gestiegen.

Gute Kinderbetreuung wichtig
Dadurch verlören immer mehr junge Leute die Lust an diesem Beruf, es gebe einen Mangel an Erzieherinnen und Erziehern. „Wer wird in zehn oder 20 Jahren die Kinder in dieser Gesellschaft betreuen?”, fragte Hauk.

Im Rahmen der Flüchtlingsaufnahme sind aktuell im Main-Tauber-Kreis, neben rund 1000 geflüchteten Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften, auch rund 100 unbegleitete minderjährige Ausländer, die so genannten UMA, untergebracht. Für viele von ihnen konnten Plätze in deutschen Gastfamilien gefunden werden. An den beruflichen Schulen wurden für diese Jugendlichen sowie die Kinder aus Flüchtlings- und Migrantenfamilien inzwischen zehn VABO-Klassen („Vorbereitung Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse”) eingerichtet. Weitere sollen hinzukommen.

Mehr Abschiebungen
Wie Sozialdezernentin Elisabeth Krug ergänzte, hat es im Main-Tauber-Kreis im Jahr 2016 erstmals eine nennenswerte Zahl von Abschiebungen gebeten. Bis zum 30. November seien insgesamt 29 Menschen aus Einrichtungen der vorläufigen Unterbringung zurück in ihre Heimatländer gebracht worden. Darüber hinaus seien 80 Personen, häufig nach einer entsprechenden Fachberatung durch das Landratsamt, freiwillig in ihre Herkunftsstaaten zurückgekehrt.

Landratsamt, Fränkische Nachrichten, 25.01.2017, www.fnweb.de